Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. März 2021 entschieden, dass zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis verlangt werden kann, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Denn dies lasse auf ein hohe Alkoholgewöhnung schließen. Die Giftfestigkeit führe unter anderem dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen könne.
Die Vorinstanz (VGH Kassel, 2 A 641/19 – Urteil vom 22. Oktober 2019 -) hingegen hatte gegenteilig noch die Auffassung vertreten, dass der Verordnungsgeber den Aspekt des mangelnden Wirkungsempfindens aufgrund bestehender Giftfestigkeit bereits bei der Festlegung des Grenzwertes von 1,6 Promille in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV berücksichtigt habe. Nach jener Bestimmung ist bei Erreichen dieses Grenzwertes grundsätzlich eine MPU vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis beizubringen.
In diesem Fall wurde die Beibringung einer MPU aber nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV angeordnet. Nach dieser Regelung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU an, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Vorgehen der Behörde als rechtmäßig. Der Bestimmung des Buchstaben c in § 13 FeV komme keine „Sperrwirkung“ in dem Sinne zu, dass bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille wegen Alkoholgewöhnung ein Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV ausscheidet. Denn die fehlenden Ausfallerscheinungen sind sonstige Umstände, welche auf eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung und Alkoholmissbrauch hinweisen.
Gesetzestext§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV : Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
§ 13 Satz 1 FeV : Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass…
1. ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn …
2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
a) … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,
b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr begangen wurden,
c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr …. geführt wurde, …